1. Amory Burchard
Tagesspiegel/Berlin 1998
Vom Krieg in Jugoslawien git es die Bilder im Fernsehen und es gibt die Bilder im Kopf. Wieweit sie sich gleichen oder voneinander unterscheiden, hängt davon ab, welche Sender man guckt. Und davon, was die Phantasie aus den "wahren", den "zensierten" und den "gefälschten" Bildern macht. Die Berliner Künstlerin Bernadette Schroeger sieht Bomben. Sie sieht sie nicht nur, sie malt sie auch. Sie macht ,Kunst gegen den Krieg", jeden Tag ein Bild der Bomben, die auf Jugoslawien fallen. "Ich konnte nichts anderes mehr malen", sagt die 39jährige Künstlerin, die sonst Motive aus ihrem Alltag in Prenzlauer Berg zu fast abstrakten, postexpressiven Gemälden verarbeitet. Jetzt zeigt Bernadette Schroeger ihre Bombenbilder in der Kirche Zum heiligen Kreuz: Wie dicke Zigarren mit Haifischflossen, mit zähnestarrenden Mäulern, wie phallische Symbole fallen sie vom Himmel.
Ihre Arbeiten auf Papier in Kohle und schwarzer Ölfarbe im Format 40x60 cm hat Schroeger zu Bahnen von je zehn Bilder in starre Plastikfolie eingeschweißt. Die so entstandenen vier Meter langen Laminatstreifen - Leporellos nicht unähnlich - hängte sie als "Bombenteppiche" von der Galerie herunter in den Kreuzberger Kirchenraum.
Wie diese Bilder in die Kirche kamen und wie sie mit einem erschütternden Rettungsversuch für ein schwer krebskrankes kosovo-albanisches Kind zusammenhängen das ist eine komplizierte Geschichte in drei Teilen.
Erster Teil: In der Kirche Zum Heiligen Kreuz findet seit dem Beginn der NATO-Intervention jeden Donnerstag um 18 Uhr ein Friedensgebet statt. "Wir tretenen für Versöhnung ein. Wir sind gegen den Krieg, aber wir nehmen keine Partei", sage der Vorsitzende des Gemeindekirchenrats, Eberhard Neuendorf. Im Friedensgebet dürfe jeder sprechen, auch „einseitige Äußerungen" blieben unkommentiert stehen. Schroegers Bilder sind also willkommen.
Zweiter Teil: Die Heilig Kreuz Gemeinde engagiert sich seit Jahren für eine albanische Familie aus dem Kosovo, die erstmals 1993 nach Berlin Die Mutter war krebskrank, der kleine Sohn Melin hatte einen Wasserkopf, beide wurden in Berlin behandelt, aber die Mutter konnte nicht geheilt werden. Weil die unheilbar kranke Frau in der Heimat sterben wollte, kehrte die Familie vor einem Jahr in einen kleinen Ort bei Prizren zurück. Kurz nach dem Tod seiner Mutter erkrankte der inzwischen sienjährige Metin an Krebs. Eine Behandlung in Belgrad musste Ende März abgebrochen werden, weil die Klinik von der NATO bombardiert wurde, erzählt die Sozialarbeiterin der Heilig Kreuz Kirche. Die Familie, inzwischen ergänzt durch die zweite Frau von Metins Vater, floh nach Sarajewo. Von dort holte die Sozialarbeiterin sie wider nach Berlin, damit Metin eine gute Krebstherapie erhalten kann.
Dritter Teil: Bernadette Schroeger verkauft ihre „Bilder gegen den Krieg" zugunsten dieses kranken Kindes. „Ich will die Anonymität des Krieges" mit dieser Spendenaktion durchbrechen" sagt sie. Die Bilderstreifen bleiben bis zum 9. Mai hängen. Interessenten können sich derweil in eine Liste in der Küsterei eintragen lassen. Schroeger will weitermalen, solange noch Bomben fallen.